Foto © Fritz Deffner
Die Lo 100 war die Weiterentwicklung der bereits 1935 von den Brüdern Lothar und Alfred Vogt in der damaligen Tschechoslowakei entworfenen Lo 105. Dieses Flugzeug wurde 1937 fertiggestellt, konnte aber wegen der politischen Situation vor dem zweiten Weltkrieg nur wenig geflogen werden.
Nach dem Krieg entwickelte Alfred Vogt daraus die Lo 100 (Die Spannweite hatte er von 10,5 auf 10,0 m reduziert). Beim Segelfliegertreffen auf dem Klippeneck 1952 wurde sie erstmals vorgeführt.
Die Bezeichnung „Lo“ wählte Alfred Vogt zum Andenken an seinen bereits 1937 verstorbenen Bruder Lothar.
Insgesamt wurden rund 50 Exemplare gebaut, davon 19 von Alfred Vogt, weitere bei Wolf Hirth sowie eine erhebliche Anzahl bei verschiedenen Segelfluggruppen in Deutschland und Österreich.
Die Lo 100 ist ein vieler Hinsicht unkonventionelles Segelflugzeug. Der einteilige Flügel von nur 10 m Spannweite hat einen durchgehenden Holm mit Gurten aus Buchen-Schichtholz (TBu 20). Dieses Material wurde in den Kriegsjahren als Ersatz für Leichtmetall in grossen Mengen produziert, ist aber heute kaum noch erhältlich. Weiterhin hat die Lo keine Bremsklappen sondern nur Wölbklappen. Die ungewohnte Landetechnik mit Glissade (Slip) und die Tendenz, bei zu schnellem Anflug endlos lang auszuschweben, hat schon so manchen unerfahrenen Piloten in arge Verlegenheit gebracht.
Bemessen ist die Lo 100 nach den Bauvorschriften von 1939. Damals kannte man den Begriff „Manövergeschwindigkeit“ noch nicht. Gefordert waren Lastvielfache von +6 und -3 (mit einem Sicherheitsfaktor j = 2) sowie eine Höchstgeschwindigkeit in der Nähe der End-Sturzgeschwindigkeit. Daher war auch ursprünglich die Höchstgeschwindigkeit der Lo 100 mit 350 km/h angegeben.
Während vieler Jahre war in Deutschland die Lo 100 DAS Segelkunstflugzeug schlechthin. Ihre geringe Grösse und die reichlich bemessenen Ruder bei niedriger Flächenbelastung machen sie ausserordentlich wendig. Da es damals kaum Doppelsitzer gab, mit denen „höherer“ Kunstflug geschult werden konnte, sammelten viele angehende Kunstflieger auf der Lo 100 ihre ersten Erfahrungen im „richtigen“ Kunstflug. Dazu hier ein köstlicher Comic aus jener Zeit, gezeichnet von „Seck“, einem alten Herren der Akaflieg München:
Auf einer Lo 100 wurde übrigens Walter Martig 1989 Vizeweltmeister in der Kür; für 26 Jahre die beste Platzierung eines Schweizer Segelkunstfliegers im internationalen Wettbewerb.
Trotz ihrer ziemlich filigranen Bauweise ist die Lo 100 erstaunlich robust und galt deshalb bei Vielen lange Zeit als unzerstörbar. Die Devise „lass‘ mer’s krache!“ habe ich heute noch im Ohr, wenn ich mich an einige Meisterschaften der 1980er in Deutschland erinnere.
Erst nach dem beinahe-Unfall mit der Lo von Hubert Jänsch bei der DM 1989 (Bruch eines Querruder-Umlenkhebels mit Ruderflattern), begann man ernsthaft über die Betriebsgrenzen der alten Holzflugzeuge nachzudenken.
Eine Hauptschwäche der Lo 100 ist der fehlende Massenausgleich der Ruder. So gab es bereits 1979 einen tödlichen Unfall durch Flattern des Seitenruders und auch der o.a. Zwischenfall in Paderborn 1989 wäre bei massenausgeglichenen Querrudern wohl weniger dramatisch verlaufen.
Ein weiteres Risko bei derartigen Oldtimern, das in den letzten Jahren vermehrt in Erscheinung tritt, ist die Alterung des früher vielfach verwendeten Kaurit-Leims. Im Laufe der Zeit versprödet Kaurit immer mehr, worunter die Festigkeit der Verleimungen z.T. erheblich leidet. Bei den Belastungen im Kunstflug kann es dann zum Versagen der Struktur kommen, wie z.B. bei einer Lo 100 an der Österreichischen Staatsmeisterschaft 2009. Zum Glück konnte sich bei diesem Unfall der Pilot mit dem Fallschirm retten und blieb unverletzt.
In den 1970ern bemühte sich Fritz Steinlehner aus Altötting einerseits die Lo 100 zu verbessern, und andererseits einen Nachfolger mit ähnlichen Eigenschaften, aber besseren Kunstflugleistungen zu entwickeln. Letztere Bestrebungen führten schliesslich zur SH-2.
Für Reinhard Göst entwarf Steinlehner eine modifizierte Lo 100 mit dem Rumpf und Leitwerk der projektierten SH-2. Reinhard Göst baute mit Unterstützung von Fritz Steinlehner und Sepp Sporer in den Jahren 1979 bis 1981 diese Lo 100A (D-8256), bei der ursprünglich geplant war, den Lo 100-Flügel später durch einen SH-2-Flügel zu ersetzen.
Der Tod von Fritz Steinlehner im Sommer 1981 vereitelte jedoch dieses Vorhaben. So blieb die Lo 100A ein Einzelstück (SH-2-Rumpf mit
Lo 100-Flügel). Reinhard Gösts Sohn Michael flog dieses Flugzeug bis in die letzten Jahre mit beachtlichem Erfolg:
Bei der Deutschen Meisterschaft 2004 wurde er auf seiner Lo 100A Vizemeister. Anlässlich der Weltmeisterschaft 2007 gelang ihm als einzigem „Holzflieger“ sogar ein achter Platz in der Bekannten Pflicht.
In der Advanced Kategorie zeigte sich inzwischen, dass ein guter Pilot mit dieser im Grunde achtzigjährigen Konstruktion keineswegs chancenlos ist. Markus Pönicke wurde mit seiner Lo 100 bei der Deutschen Meisterschaft 2014 Vizemeister in der Advanced und war bei der Advanced-WM 2014 auf Gesamtrang neun sogar bester deutscher Teilnehmer.
Technische Daten
Spannweite | 10,0 m |
Flügelfläche | 10,9 m² |
Profil | Clark Y mod. 11,6% dick |
Länge | 6,17 m |
Leermasse | 150 kg |
max. Flugmasse | 245 kg |
sichere Lastvielfache | +6 / -3 |
Höchstgeschwindigkeit VNE (bei ruh. Wetter) | 290 km/h |
beste Gleitzahl | 25 bei 85 km/h |
geringstes Sinken | 0,85 m/s bei 72 km/h |
Quellen:
Kens, Flugzeugtypen, 1958
persönliche Erinnerungen von Alfred Vogt
Stand, 12-2015