Hänle H-101 Salto

H-101 Salto

Foto © K. Gruss

Der Salto wurde von Ursula Hänle entworfen, der damaligen Ehefrau des Schöpfers der Glasflügel-Flugzeuge, Eugen Hänle. Der Erstflug war am 06. März 1970.
Der Uhrahn dieses zierlichen 13-Meter-Segelflugzeugs war die von Wolfgang Hütter bereits 1948 konzipierte H-30. Dieser ursprünglich in Balsa-Sperrholz Sandwichbauweise geplante Kleinsegler wurde Anfang der 1960er von Eugen und Ursula Hänle als H-30 GFK in Glasfaserkunststoff mit Balsakern gebaut. Die H-30 GFK war übrigens das erste Segelflugzeug mit Holmgurten aus Glasfaser-Rovings.

Beim Entwurf des Salto übernahm U. Hänle die generelle Auslegung der H-30, wandte dabei aber die bei der Entwicklung der Libelle und Standard-Libelle gemachten Erfahrungen an. So stammt die Flügelgeometrie von der Standard-Libelle, an der Wurzel um je 0,7m gekürzt. Der Innenaufbau des Flügels ist aber im Hinblick auf die Kunstflugeignung gegenüber der Standard-Libelle wesentlich verstärkt.

Der Salto ist in vieler Hinsicht eine eigenwillige Konstruktion. Das V-Leitwerk war bei Segelflugzeugen der 1950er und 1960er noch relativ häufig anzutreffen. Es bietet gegenüber sowohl dem Normal- als auch dem T-Leitwerk Gewichts- und Widerstandsvorteile. Im Gegensatz zu früheren V-Leitwerkskonstruktionen hatte Frau Hänle zusammen mit Walter Stender beim Salto eine sehr elegante und einfache Lösung für die Überlagerung der Höhen- und Seitensteuerausschläge gefunden. Die ganze Mechanik ist unten am Knüppel angebracht und kommt mit einem Minimum an Gelenken und Lagern aus.
Einzigartig sind auch die Hinterkanten-Luftbremsen (à la DH Vampire), die zwar die Flügelstruktur und die Auftriebsverteilung weniger stören als die gebräuchlichen Schempp-Hirth Bremsklappen, dafür aber auch weniger wirksam sind. Deshalb bekamen auch die meisten Saltos später einen Bremsschirm als Landehilfe verpasst. Der GFK-Schalenrumpf ist anders als bei fast allen anderen Kunstoff-Segelflugzeugen nicht aus zwei vertikalen sondern horizontalen Hälften zusammengesetzt.
Letzlich war der Salto auch eines der ersten Serienflugzeuge mit komplett automatischen Anschlüssen für Ruder und Bremsklappen.
Obgleich es sich um ein kleines Segelflugzeug handelt, ist das Cockpit überraschend geräumig. Lediglich die ziemlich tiefe Sitzposition mit der eingeschränkten Sicht nach unten entspricht nicht mehr dem heutigen Standard.

Aber auch fliegerisch ist der Salto ein spezielles Flugzeug. Nachdem ich von 1975 bis 1991 die Werk-Nr. 08, D-0838 flog, traue ich mir ein Urteil über die Eigenschaften des Salto zu. Im Normalflug merkt man nach kurzer Eingewöhnung nicht mehr, dass man ein V-Leitwerk-Flugzeug fliegt. Das V-Leitwerk prägt aber die Kunstflugeigenschaften des Salto in hohem Masse. Die Kinematik für die Überlagerung der Höhen- und Seitensteuerausschläge bedingt sehr kleine Steuerwege sowohl am Knüppel als auch an den Pedalen. Die Knüppelwege zur Querruderbetätigung sind demgegenüber „normal“. Im Normalflug stört das kaum. Im Kunstflug hingegen erfordert insbesondere das recht empfindliche Höhensteuer viel Feingefühl und noch mehr Übung um saubere Figuren zu fliegen.
Obwohl das Höhenruder ausgesprochen sensibel ist, reicht die maximale Ruderwirkung bei Manövern mit abgerissener Strömung (gerissene und besonders gestossene Rollen sowie Rückenvrillen) nicht immer aus. Das bedeutet, dass der Salto-Pilot bei vielen Unlimited-Figuren zum „tricksen“ gezwungen ist. Die von der Standard Libelle übernommenen Querruder sind für den Kunstflug zu knapp bemessen und geben dem Salto eine eher mässige Rollrate (wenn auch etwas besser als die des B4).

Das entscheidende Handicap des Salto ist aber die zu niedrige Manövergeschwindigkeit. Obwohl sich aus dem V-n-Diagramm eigentlich eine
VA = 180 km/h ergibt, wurde sie seinerzeit nach der Flugerprobung auf 160 km/h begrenzt. Den wahren Grund dafür konnte mir auch Frau Hänle nicht nennen. Angeblich meinte Helmut Laurson, der damals die Kunstflugerprobung durchführte, dass mehr als 160 km/h nicht nötig wären. Inzwischen wurde sie zwar auf 170 km/h erhöht, (siehe EASA.SAS.A.028 vom 22.01.2009) aber auch dieser Wert ist für die Praxis noch zu gering. Angesichts der ohnehin nicht berauschenden Rollrate des Salto bedeutet die niedrige VA, dass man sich schon bei relativ harmlosen Advanced-Figuren strenggenommen ausserhalb der Betriebsgrenzen bewegt. Will man z.B. ein Retournement (Rollenkehre) korrekt fliegen, muss man mit mindestens 230 hochziehen, um auf der 45°-Linie nicht zu „verhungern“. Das bedeutet aber, dass zum Zeitpunkt an dem der volle QR-Ausschlag für die halbe Rolle kommen muss, noch mindestens 210 anliegen; d.h. rund 40 km/h über der VA.
Gar nicht zu reden von etwa einer Halbrolle senkrecht ab! Ich erinnere mich an eine „Deutsche“ in den 1980ern: Da hatte die Lo 100-Mafia dafür gesorgt, dass in einer Unbekannten Pflicht ein P-Loop mit einer halben Gesteuerten senkrecht ab zu fliegen war. Für die Lo „piece of cake“. Mit dem Salto kam ich aus der Figur mit 300 herausgepfiffen! Die B4-Piloten konnten während der Rolle die Bremsklappen fahren; beim Salto nützt das nichts, da mit ausgefahrenen Bremsen die Rollrate gegen null geht.

Selbstverständlich werden auch die Trudel-Eigenschaften des Salto durch das V-Leitwerk bestimmt. Wie bei praktisch allen V-Leitwerk-Flugzeugen ist die Seitensteuerwirkung zum Ausleiten einer Vrille grenzwertig. Im Gegensatz zu „normalen“ Segelflugzeugen muss man zum Ausleiten im Salto, ausser bei extrem vorderer Schwerpunktlage, deutlich über den Neutralpunkt evtl. sogar voll drücken. Querruderausschläge in der Vrille beeinflussen die Längsneigung und der Salto kann damit, wie z.B. auch der Fox, in ein dynamisches Flachtrudeln gebracht werden. All das Besonderheiten, die einen unerfahrenen Piloten in erhebliche Bedrängnis bringen können.
Der 1988 mit dem HB-1584 tödlich verunglückte Pilot hatte jedenfalls keine Trudelerfahrung auf dem Salto und war sich wahrscheinlich dieser Faktoren nicht bewusst. (Siehe SAGA Minichronik und den offiziellen Bericht der Eidg. Flugunfall-Untersuchungskommission vom 11.05.1990.)

Derzeit fliegt nur noch ein Salto (HB-1846) in der Schweiz. (Besitzer Ivo Müller, Schöfflisdorf)

Daniel Ahlin am Start; an der Fläche der Advanced Weltmeister 2013, Johan Gustafsson

Die Sensation zum Thema Salto lieferte jedenfalls bei der Advanced Weltmeisterschaft 2013 der Schwede Daniel Ahlin: Mit einem fast vierzigjährigen Salto gewann er Bronze in der Gesamtwertung!
Obwohl er den Salto nur als „Notlösung“ flog, da sein Fox ausgefallen war, hatte er sich optimal auf die Eigenheiten des Salto eingeflogen und zeigte Figuren von atemberaubender Präzision. Dank der Figurenbeschränkung in der Advanced spielen die Schwierigkeiten bei abgerissener Strömung keine Rolle und wenn man es mit der niedrigen VA nicht allzu genau nimmt…

Technische Daten

Spannweite13.6 m
Flügelfläche8.58 m²
ProfilWortmann
FX 66-17 All-182
Länge5.95 m
maximale Flugmasse (Akro)280 kg
Manövergeschwindigkeit VA170 km/h
Höchstgeschwindigkeit VNE280 km/h
Lastvielfache+7,0 / -5,0
beste Gleitzahl34 bei 90 km/h
geringstes Sinken0.7 m/s bei 72 km/h
Mindestgeschwindigkeit VS65 km/h

Stand, 08-2013