Bericht für den Schänis-Soaring Newsletter Okt. 2015
Die diesjährigen FAI-Segelkunstflug-Weltmeisterschaften der Kategorien Unlimited und Advanced fanden vom 5. bis 15. August in Zbraslavice ca. 100 km südöstlich von Prag statt. Für die Schweiz trat das SAGA-Team bestehend aus Daniela Nowak, Martin Götz, Jonas Langenegger, Manfred Echter und Teamchefin Béatrice Echter bei der Advanced-Weltmeisterschaft an.
Wir reisten am 31. Juli an und konnten bereits am 1. August mit Trainingsflügen beginnen. Das Wetter war, wie daheim, vorerst noch kühl und sehr windig. Jeder von uns bekam zwei Starts und wir konnten uns schon mal mit den lokalen Gegebenheiten vertraut machen. Ungewohnt für uns: Die Gegend bietet keinerlei Orientierungspunkte, alles sieht nach allen Richtungen gleich aus. Dafür war die Kunstflugbox, direkt über dem Platz, gut markiert und schön parallel zur Graspiste, so dass wenigstens mit Blick nach unten die Orientierung funktionierte. Der Flugplatz ist nach Schweizer Massstäben riesig: Die Piste ist gut einen Kilometer lang und 150 m breit. Beiderseits der Piste ist auch noch genug Platz, aber nicht mehr so ganz eben. Geschleppt werden die Föxe entweder mit einer Maule oder einem Čmelák (Hummel). Das ist ein alter Agrarflieger mit der Aerodynamik eines Toi-Toi-Häuschens und einem Sternmotor von 300 PS. Davon braucht er aber mindestens 200 um selbst zu fliegen. Der Hangar ist zwar geräumig, aber wenn alle teilnehmenden Flugzeuge untergebracht werden sollen, ist „Schachteln“ angesagt. Das Ein- und Ausräumen übernahmen deshalb die Gastgeber, die sich damit am besten auskennen.
An den folgenden beiden Tagen bekamen wir noch weitere Trainingsstarts, aber das Gedränge nahm schon mal zu, nachdem die Mehrzahl der fast 80 Teilnehmer angekommen waren.
Die Meisterschaft begann am Dienstagabend, 4. August mit dem obligaten Eröffnungsbriefing. Die endgültige Teilnehmerzahl in der Advanced-Meisterschaft ist jetzt 46; in der Unlimited 32.
Am nächsten Morgen war das Wetter noch dubios und die Wettbewerbsleitung sammelte die Figurenvorschläge für die Unbekannten Programme der Advanced ein. Dazu schlagen die Teams insgesamt 28 Figuren vor, je sieben für vier Unbekannte Programme. Davon nimmt die Jury sieben Figuren beiseite für die „Unbekannte Kür“. Von den verbleibenden 21 Figuren stellen die Teams Vorschläge für die drei Unbekannten Pflichten zusammen, aus denen die Jury wiederum die Programme auswählt, die geflogen werden müssen.
Am Nachmittag hatte sich das Wetter beruhigt und wir flogen die Bekannte Pflicht. Der erst 22-jährige Jonas Langenegger von der SG Cumulus setzte sich gleich mit einem fast fehlerfreien Flug an die Spitze. Martin Götz gelang auch ein sehr guter Flug auf Rang 12. Manfred Echter hatte Pech mit kräftigem Abwind in der Box und fing sich eine „Low Penalty“ ein. Nach Abzug der Strafpunkte blieb nur Rang 32. Daniela Nowak hatte eine Figur verbastelt und landete auf dem viertletzten Rang.
Am Freitagmorgen sind die Wertungen der Bekannten Pflicht „amtlich“ und Jonas hat tatsächlich die Goldmedaille! Das gab es noch nie im Segelkunstflug, dass bei einer Siegerehrung die Schweizerhymne gespielt wird
Für uns ging es am Freitag weiter mit dem zweiten Programm, der Kür. Die Kür stellt sich jeder nach bestimmten Kriterien selbst zusammen und sollte die als seine Paradedisziplin optimal „drauf“ haben.
Manfred flog seine Kür zuerst und verbesserte sich mit einem 12. Tagesrang um zehn Gesamtplätze. Dann wurde die Hitze zu schlimm und wir hatten erst mal Pause bis nach 1630 Uhr. Am Abend flogen noch Martin und Jonas. Martin war nicht auf der Höhe seines Könnens und schaffte nur den 39. Tagesrang. Jonas dagegen zeigte eine Kür vom Feinsten! Nur der ebenfalls junge Italiener Daniele Ferrarese flog noch etwas besser. Jedenfalls hat Jonas damit in nur drei Tagen einmal Gold und einmal Silber gewonnen. Daniela kam am Abend nicht mehr dran und flog ihre Kür am Samstagmorgen. Sie war leider total von der Rolle und fiel auf den letzten Gesamtrang zurück.
Am Sonntag, 9. August war die Advanced mit der ersten Unbekannten Pflicht dran. Das Programm enthielt keine technischen Schwierigkeiten, somit kam es darauf an absolut sauber zu fliegen und sich ja keine „Box-Outs“ zu leisten. Jede Sekunde ausserhalb der Box kostet zwei Strafpunkte und bei einem derart anspruchslosen Programm können solche „Ausflüge“ eine gute Platzierung schnell verderben. Wie sich aber bald zeigte, waren die ersten drei Figuren des Programms mit Rückenwind einfach nicht in den verfügbaren 1000 m unterzubringen. Diejenigen Piloten, welche einen Swift flogen, hatten den Vorteil der schnelleren Rollrate, waren schneller mit der Passage fertig und kassierten auch weniger Strafpunkte. Martin hatte den besten Flug und belegte Tagesrang 14. Manfred musste sich mit Rang 19 begnügen und Jonas fand sich am Schluss auf Tagesrang 24 wieder. In der Gesamtwertung lagen jetzt Jonas, die Polin Katarzina Żmudzinska und der Tscheche Miroslav Černý innerhalb von gerade mal 1,14 Punkten Kopf an Kopf auf den Rängen eins bis drei.
Am Abend musste die Unlimited ihr Programm wegen schwerer Gewitter abbrechen. Es gab Starkregen, Hagel und einige Sturmböen, aber gottlob keine ernsthaften Schäden. Da es aber kaum abkühlte, fühlte es sich danach an wie Indien im Monsun.
Für uns war am Dienstag Programm 4 die „Unbekannte Kür“ dran. Die Jury gibt dafür sieben Figuren vor. Jeder Pilot oder jedes Team müssen sich daraus ein Programm zusammenstellen, das dann ohne vorheriges Training zu fliegen ist. Die Figurenauswahl hatte es in sich. Fliegerisch waren einige recht anspruchsvolle Sachen zu meistern und die Piloten mussten einige Male an die Betriebsgrenzen der Flugzeuge herangehen, um die Figuren wirklich exakt zu fliegen.
Martin war mit Startnummer 8 als erster dran. Er hatte am frühen Vormittag noch ruhige Luft und legte ein super-Programm hin. Das war Tagesrang 3! Daniela war als Nächste an der Reihe. Leider hatte sie bei zwei „teuren“ Figuren eine Nullwertung und konnte ihre Platzierung nicht verbessern. Jonas hatte mit Startnummer 17 schon mit der immer turbulenter werdenden Thermik zu kämpfen, aber es reichte trotzdem zum sechsten Tagesrang. Manfred flog am Nachmittag mit Startnummer 37 und schaffte es nur auf Rang 22. Bald danach wurde wegen eines kräftigen Schauers abgebrochen. Der Tscheche Miroslav Černý konnte am nächsten Morgen unter optimalen Bedingungen fliegen und setzte sich in der Gesamtwertung mit mehr als 100 Punkten Vorsprung an die Spitze.
Am Mittwochnachmittag sollten wir eigentlich das fünfte Programm die zweite Unbekannte Pflicht fliegen, aber nach dem vierten Teilnehmer kam plötzlich starker Seitenwind auf und nach einigem Hin und Her wurde schliesslich wieder eingeräumt, wobei die Letzten auch noch nass wurden.
Am Donnerstag ging das Programm dann über die Bühne. Wie schon an den Vortagen setzte am späten Vormittag die „Hammerthermik“ ein. Wer beim Kunstflug mit 220 in einen drei-Meter-Schlauch brettert, dem kann es schon mal eine Figur verhauen mit entsprechenden Konsequenzen bei der Wertung. Jonas flog schon früh und hatte diesbezüglich keine Probleme, aber der erwartete Gegenwind war nicht da und er leistete sich einige kostspielige Ausflüge an der Luv-Seite. Er bekam eine recht durchzogene Wertung und zu allem Überfluss hatten ihm die Linienrichter 65 Sekunden „Box-Out“ aufgeschrieben, gleichbedeutend mit 130 Strafpunkten. Für uns war klar: Schluss mit Medaille im Gesamtklassement und Schluss mit Medaille in der Teamwertung! Martin ging es danach nicht besser, am Ende war es der 32. Tagesrang. Manfred dagegen belegte mit seinem besten Flug des gesamten Wettbewerbs den fünten Tagesrang. Daniela war die Letzte der Eidgenossen und hatte wieder Pech. Es reichte leider nicht, um vom letzten Gesamtrang herunter zu kommen.
Am Abend prüften wir unsere Wertungsunterlagen und mussten feststellen, dass die Linienrichter Jonas 35 Sekunden „Aus“ an einer Linie aufgeschrieben hatten, die er definitiv niemals überflogen hatte. Nach kurzer Teambesprechung reichten wir eine Beschwerde bei der Internationalen Jury ein und verlangten eine Überprüfung der Raumpenalties. Währenddessen hatten die Punktrichter nicht weniger als 31 Videos anzuschauen, um alle Ungereimtheiten der Bewertung aufzuklären. Als Hauptschiedsrichter Philippe Küchler schliesslich aus der Punktrichterkonferenz kam, begann die Jury mit ihrer Sitzung und wir warteten bis nach 2200 Uhr auf einen Bescheid, um dann zu erfahren, dass unsere Beschwerde noch geprüft werde und wir uns bis Morgen Früh gedulden sollten.
Am nächsten Vormittag sollte eigentlich die Unlimited ihre zweite Unbekannte fliegen, aber der Wind war viel zu stark und am Ende musste der Tag neutralisiert werden. Wir warteten fast den ganzen Vormittag auf den Entscheid der Jury. Schliesslich wurde uns vom Jury-Präsidenten mündlich mitgeteilt, dass die besagten 35 Sekunden ein „Übermittlungsfehler“ seien und gestrichen würden. Das Pikante dabei: Gemäss internationalem Reglement muss den Wettbewerbern Einsicht in die Aufzeichnungen der Linienrichter gewährt werden. Wir bekamen die aber nie zu Gesicht! Wie heisst es so schön: Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt…
Die Weltmeisterschaften gingen am Samstagabend mit der Siegerehrung zu Ende. Für die Schweiz war es ein Triumph! Gold in der Bekannten Pflicht, Silber in der Kür und Bronze im Gesamtklassement für Jonas Langenegger.
Edelmetallsammler Jonas
Mit Manfred Echter auf Gesamtrang 17 und Martin Götz auf 19 reichte es dann auch noch für Bronze in der Teamwertung hinter den Polen und Tschechen und vor den Deutschen. Und nicht zu vergessen: Martin Götz belegte den hervorragenden Rang 8 in den Unbekannten Programmen und bekam dafür eine FAI-Urkunde.
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