Tagebuch des Jury-Präsidenten
Montag, 24. Juli
Flug nach Warschau problemlos; die Probleme fingen dort an.
Die versprochene Abholung fand nicht statt. Um 1525 sassen wir endlich im Zug nach Toruń. Nach über drei Stunden Bahnfahrt durch die brettebene polnische Landschaft kamen wir endlich an.
Was uns Martin erzählte klang auch nicht gerade ermutigend: Am Flugplatz keine Spur von funktionierender Organisation, alles Improvisation.
Dienstag, 25. Juli
Heute erst mal eine polnische SimKarte gekauft, weil meine Schweizer Karte hier partout nicht funktionieren will. Telefonieren mit Schweizer Handies ist hier sauteuer; die Schweiz ist ja EU-Ausland!
Am Nachmittag zum Flugplatz gefahren und da rührt sich immer noch nichts. Dafür ist das deutsche Team schon komplett vor Ort und kampiert dort wie üblich.
Heute Nachmittag war das Meeting des Glider Aerobatics Committee fällig und ausser Jurek, der noch unterwegs war, nahmen alle dran teil. Die meiste Zeit nahm die Diskussion der Erfahrungen von den gerade abgeschlossenen World Games in Wrocław in Anspruch. Dabei kann keiner sagen, wann und wo ein derariger Wettbewerb jemals wieder stattfinden wird.
Mittwoch, 26. Juli
Allmählich kommen wir in die Gänge. Heute Morgen hat Philippe sein Judges` Briefing abgehalten. Immer wieder interessant, welche Schwerpunkte er für Figurenbewertung setzt.
Die Jury hatte eine lange und intensive Diskussion mit den lokalen Organisatoren, um den wirklichen Stand der Vorbereitungen Punkt für Punkt abzuklopfen. Momentan zumindest sieht es aus, als wäre alles auf gutem Weg, aber ich glaube das erst, wenn ich selbst gesehen habe, dass es funktioniert.
Morgen um Acht geht es weiter mit dem Opening Briefing und je nach dem wie sich das Wetter entwickelt, sind danach die restlichen „Familiarisation Flights“ zu absolvieren und danach könnte evtl. die UNL mit ihrer Free Known beginnen. Aber schaun‘ wir mal…
Die Wetterprognose ist jedenfalls noch unsicher und zwischen Landregen und brauchbarem Flugwetter ist alles drin.
Donnerstag, 27. Juli
Heute 0800 Uhr „Opening Briefing“ danach Warten!
Immer mehr bekomme ich den Eindruck, die Polen verlassen sich einfach darauf, dass irgendwer kommt und die Arbeit macht. Gemäss Reglement ist es Sache des Ausrichters, die Free Known Programme der Teilnehmer zu sammeln und zu checken. Nix da, Philippe und vier der Judges setzen sich hin und machen das, aber erst muss ein Drucker her, den sie nach viel Gejaule endlich bekommen.
Wettermässig geht heute garnichts mehr; Regen und 250 m Basis!
1800 beginnt die Eröffnungsfeier im recht ansprechend dekorierten Hangar. Der Provinzgouverneur und der Bürgermeister sind da. Die Reden sind erfreulich kurz und werden sogar so gut es geht übersetzt. Philippe als ranghöchster FAI-Funktionär will nicht, also halte ich die Rede und erkläre die 20. WGAC und 8. WAGAC für eröffnet. Der Apéro mit Buffet und Sekt ist recht manierlich und alle sind erst mal zufrieden.
Die Wetterprognose für morgen ist auch nicht ermutigend und Jurek hat bereits versprochen das Acht-Uhr-Briefing zu verschieben, wenn es in der Frühe hoffnungslos aussieht.
Freitag, 28. Juli
Am Morgen war die Basis mal wieder bei ca. 200 m und es regnete immer wieder. Das Briefing war dann auch erst um Zehn und wir hatten danach Zeit noch einiges aufzuarbeiten.
Am Nachmittag dann die Auswahl der Unbekannten Figuren für die ADV. Mady, Philippe und ich haben da zusammen einiges an Routine und so geht das Ritual in etwas mehr als einer Stunde über die Bühne.
Am späteren Nachmittag hebt sich die Basis auf knapp 700 m und die noch ausstehenden Familiarisation Flights können abgehakt werden. Nachdem die meisten Teams schon weg sind, kommt Jurek auf die Idee, man könnte ja auch noch die Figurenauswahl der UNL durchziehen und sendet eine SMS, dass die UNL Teams um 1900 Uhr zur Figurenauswahl zu erscheinen hätten. Leider spielt ihm sein SMS-Verteilersystem mal wieder einen Streich und einige Teams erfahren nichts davon. Nach einer Viertelstunde warten sind die Österreicher, die Tschechen und die Russen immer noch nicht da und er bläste die Feuerwehrübung ab. Ok, wenn er sich unbedingt unbeliebt machen will…
Wir sitzen nach dem Abendessen da und publizieren die Unbekannten Figuren, damit wir, wenn’s morgen richtig gut werden sollte, keine Zeit verlieren. Kari reiste heute Mittag ab nach Finnland zu einem wichtigen Familientermin. Bis Montag werden Mady und ich den Laden zu zweit managen müssen. Aber jetzt weiss offenbar endlich jeder, was er zu tun hat und wir sind nicht mehr ständig gefordert.
Samstag, 29. Juli
Heute hatten wir endlich brauchbares Flugwetter und konnten etwa 0930 Uhr mit der Free Known der Advanced beginnen. Zwischendurch gab es zwar mal einen Unterbruch wegen tiefen Cu, die durch die Box zogen, aber bereits Mittag war die Basis hoch genug, dass die Wolken kein Faktor mehr waren. Nach einer kurzen Mittagspause ging es gegen 1500 Uhr weiter.
Meine Hauptbeschäftigung waren derweil die Unbekannten Programme. Um 1000 Uhr begannen wir mit der Figurenauswahl für die Unlimited. Da die Unbekannten der UNL weit komplexer sind als die der ADV brauchten wir auch fast bis Mittag. Für die erste Unbekannte Pflicht der ADV bestellten wir die Vorschläge für 1800 Uhr, aber weil Jurek das falsch verstanden hatte, schickte er eine SMS raus, dass die Teams Vorschläge für die „Free Unknown“ einreichen sollten. Einige legten trotzdem die richtigen Programme vor, so dass wir eine gewisse Auswahl hatten und kurz nach 2000 Uhr war das Programm fertig und konnte publiziert werden.
Die Free Known der ADV war kurz nach 1700 Uhr durch und wir konnten noch die ersten 15 Piloten der UNL ihre Free Known fliegen lassen. Morgen Vormittag sollten wir damit fertig sein und werden danach gleich wieder die ADV mit der 1. Unbekannten Pflicht ran nehmen.
Martin war Letzter der Startreihenfolge und flog unter optimalen Bedingungen, aber leider verzog er sein Männchen und kassierte dafür eine HZ. Damit dürfte es bestenfalls für einen Rang im Mittelfeld reichen.
Schlimmer erwischte es die Polen. Einer ihrer Nachwuchspiloten kam mit der SZD zu tief und zu langsam mit kräftigem Rückenwind über die Waldkante im Westen des Platzes und geriet in den Rotor hinter den Bäumen. Das Flugzeug schmierte ab und schlug aus geringer Höhe hart auf. Pilot unverletzt, aber Rumpf ab und und wahrscheinlich auch Schäden an den Flächen.
Ich hatte mich schon auf ein Abendessen mit Béatrice in der Stadt gefreut, aber dann kam schon die nächste Panne! Weil der Computer des neuen GPS-Systems für die Box-Überwachung nicht wusste, dass die „Ausflüge“ an der Rückseite der Box nicht bestraft werden, mussten wir alles nochmal von Hand kontrollieren und nötigenfalls berichtigen. Gegen halb Zehn waren wir schliesslich fertig und hatten gerade noch Zeit für ein Bier an der Hotelbar. Das sind nun mal die kleinen Freuden des Daseins als Jury-Mitglied.
Sonntag, 30. Juli
Perfektes Flugwetter von morgens an. Keine Wolken in der Box und die UNL konnte ihre Free Known bis Mittag abschliessen. Danach war die ADV mit der ersten unbekannten Pflicht dran. Martin hatte wieder Pech. Er verzog sein Männchen und mit einer Nullwertung in einem derart anspruchslosen Programm konnte er natürlich nicht hoffen, seine Position zu verbessern.
Inzwischen haben wir auch eine erste Unbekannte für die Unlimited und morgen Früh geht es mit der UNL weiter. Ob die ADV morgen auch noch fliegen wird, hängt von der Wetterentwicklung ab. Momentan gibt es eine Wahrscheinlichkeit für Gewitter am Nachmittag. Die ADV haben inzwischen ihre FreeUnknowns eingereicht und morgen muss jeder Teilnehmer angeben, welches der insgesamt 10 Programme er/sie fliegen möchte. Dieses Jahr haben wir erstmals die Möglichkeit, dass jeder Teilnehmer frei ist die FreeUnknown zu fliegen, die ihm am besten gefällt.
Am Abend hatten uns die Tschechen eingeladen zu tschechischen Bier (super!) mit Wurst und Käse. Dafür konnte man das reguläre Abendessen getrost ausfallen lassen.
Montag, 31. Juli
Heute Morgen wurden wir schon um halb Sechs mit Blitz und Donner geweckt. Das Briefing wurde dann schon mal auf Zehn verschoben. Danach war der Wind zu stark und die Unlimited konnte erst gegen 1300 Uhr mit ihrer ersten Unbekannten beginnen. Zwischendurch gabs dann mal wieder einen Unterbruch wegen zu starkem Wind, aber generell kamen wir gut voran und waren kurz nach 1900 Uhr mit der ersten Unbekannten der UNL fertig.
Abends hatten die Deutschen zu ihrer Party eingeladen und gleichzeitig feierte Gustav Salminen von den Schweden seinen 22. Geburtstag, so dass es zur Torte Bier gab.
Morgen fangen wir früh an, weil es sehr heiss werden soll. Die Advanced ist mit ihrer FreeKnown dran, das Briefing ist für 0730 anberaumt und der erste Start soll schon kurz nach Acht rausgehen. Schaun wir mal…
Dienstag, 1. August
Das mit dem frühen Start ging leider in die Hose. Bereits um 0630 Uhr kam die SMS, dass das Briefing auf Zehn Uhr verschoben wird, weil der Wind viel zu stark ist. Erst nach Mittag waren die Bedingungen so, dass die Advanced gegen 1500 Uhr mit der FreeUnknown beginnen konnte. Nachdem dann noch eine Schleppmaschine ausfiel, ging es nur noch langsam weiter und am Abend war nach Nr. 25 Schluss. Dieser „Tail-End-Charlie“ war ausgerechnet Martin. Leider flog er auch dieses Mal weit unter seinem gewohnten Leistungsniveau. Er fing sich eine „High“ Penalty ein und bekam sowohl für den Tailslide als auch den Turn Nullwertungen.
Nach Flugbetriebsende gaben die Franzosen ihre traditionelle Party. Die Bowle war ausgesprochen potent, der Käse fein und alle hatten ihren Spass.
Morgen sollen die restlichen Piloten der Advanced ihr Programm fertig fliegen und dann ist die Unlimited mit ihrer Free Unknown an der Reihe.
Mittwoch, 2. August
Letzte Nacht gab es hier ein veritables Gewitter-Feuerwerk. Ein Kaltfront-Durchgang mit Sturmböen und Starkregen. Am frühen Morgen regnete es immer noch und die Basis war recht tief, so dass man das Briefing wieder auf zehn Uhr verschob. Danach war weiter warten angesagt, weil sich die Basis nur ganz langsam anhob. Nach 1500 Uhr schliesslich konnten die restlichen zehn Piloten der ADV ihre FreeUnknown fliegen. Dazwischen gab es einige Unterbrüche wegen leichtem Regen und technischen Problemen mit den GPS-Boxen, dass der letzte Flug erst gegen Sieben Abends landete.
Damit hat jetzt zumindest die ADV die Mindestzahl von drei Programmen für eine gültige Meisterschaft. Morgen ist dann endlich die UNL mit ihrer FreeUnknown dran. Hoffen wir, dass es das Wetter ausnahmsweise gut mit uns meint…
Donnerstag, 3. August
So langsam kommt das Ende dieser Meisterschaften näher…
Heute Vormittag schloss die UNL ihre FreeUnknown ab, womit auch für diese Kategorie eine gültige Weltmeisterschaft „im Kasten“ ist. Wir versuchen aber trotzdem noch etwas weiter zu kommen und haben für die Advanced noch eine weitere Unknown vorbereitet, die wir bei gutem Wetter ggf. noch fliegen können.
Heute hielten wir nach Nr. 20 an und wollen morgen Vormittag die restlichen Piloten der 2. Unbekannten Advanced durchbekommem.
Danach wäre die UNL mit ihrer 2. Unbekannten dran und wenn danach noch Zeit wäre könnten wir noch die dritte Unbekannte ADV in Angriff nehmen. Aber schaun‘ wir erst mal…
Freitag, 4. August
Die Weltmeisterschaften sind gelaufen. Alle Flüge sind gelandet und jetzt wird aufgeräumt und eingepackt.
Martin hat es auch mit dem vierten und letzten Flug der Meisterschaft, der zweiten Unbekannten Pflicht, nicht geschafft von seinem Platz im hinteren Mittelfeld weg zu kommen.
Gerade kam die Einladung, dass wer morgen mit Rauch fliegen will, das zwischen 1000 und 1200 am Vormittag kann. Nach 1200 soll es eine kleine Airshow des polnischen Militärs geben und um 1600 Uhr steigt die Schlussfeier und Preisverleihung. Und schliesslich sind wir um 1800 Uhr zum „Gala-Dinner“ eingeladen. Da lass ich mich mal überraschen. Nach zwei Wochen Salzkartoffeln mit Dill könnte ich mir schon was Leckeres vorstellen…
Dienstag, 8. August
Nein, das mit dem leckeren Gala-Dinner war wohl eher eine Fata Morgana…
Seit Sonntag Abend wieder zu Hause; hier nun ein kurzes Fazit:
Die Schlussfeier fand in einem grossen Festzelt statt und Philippe genoss es sichtlich, die Preisverleihung zu zelebrieren. In der Advanced triumphierte, wie erwartet, der junge Schwede Gustav Salminen, aber das Spitzentrio lag sehr dicht beisammen. Sehr erfreulich auch der vierte Rang der sympathischen Polin Agata Nykaza. Von ihr erwarte ich noch einiges in den kommenden Jahren. Bemerkenswert auch, dass Rang eins und drei eine Fox flogen und Rang fünf eine SZD 59. Wieder einmal zeigte sich, dass es nicht unabdingbar ist einen Swift zu fliegen, wenn man in der Advanced auf einen Spitzenrang kommen will.
In der Unlimited räumten die Ungarn sämtliche Goldmedaillen ab, wobei Weltmeister Ferenc Tóth allein drei davon mitnahm. Jedenfalls wurde die selbe Nationalhymne viermal gespielt. Für eine Teamwertung reichte es nicht; es waren nur drei komplette Teams am Start. Darin zeigt sich leider auch das derzeitige Dilemma der Unlimited im Segelkunstflug: Es gibt noch zu wenig Nachwuchs und die alten Schlachtrösser ziehen sich nach und nach zurück. Leider schreckt auch der viel grössere Trainingsaufwand viele davon ab, den Umstieg zu wagen.
Für den Schweizer Segelkunstflug war diese WM leider eine Enttäuschung. Martin Götz hat versucht, nach einem Jahr kompletter Kunstflug-Abstinenz, wieder den Anschluss zu finden, aber leider kam er vor allem aus Zeit- und Wettergründen zu wenig zum Training und blieb weit unter seinem Niveau der früheren Jahre. Ob nächstes Jahr für die WM im tschechischen Zbraslavice, wo wir 2015 den grössten Erfolg feiern konnten, wieder ein schlagkräftiges Schweizer Team zusammenkommt, steht vorerst noch in den Sternen.
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