Der Kobuz 3 bei seinem ersten Auftritt im Westen; Deutsche Meisterschaft 1983
Dieser polnische Kunstflugsegler war das Endprodukt eines langen Entwicklungsprozesses, der schon 1958 begann.
In Polen war seit jeher der Kunstflug selbstverständlicher Bestandteil der Weiterbildung von Piloten und Fluglehrern. Mitte der 1950er war abzusehen, dass der IS-4 Jastrzab durch ein zeitgemässes Muster ersetzt werden müsste.
Gefordert waren neben besseren Gleitflugleistungen bei hoher Geschwindigkeit vor allem Kunstflugeigenschaften, die auch Figuren zuliessen, die bis dahin dem Motorkunstflug vorbehalten waren.
Der erste Prototyp SZD-21 Kobuz 1 basierte auf der SZD-22 Mucha Standard. Die Kunstflugeigenschaften befriedigten nicht und so entstand eine völlig neue Konstruktion unter der Bezeichnung SZD-21-2a Kobuz 2a, bei der man die bei der Entwicklung der SZD-24 Foka gemachten Erfahrungen anwandte. Für gute Schnellflugleistungen wählte man ein relativ dünnes Laminarprofil (12%), das in herkömmlicher Holzbauweise nicht realisierbar gewesen wäre. Die Lösung war ein Schalenflügel ähnlich dem der Foka. Auch der Flügelgrundriss glich dem der Foka.
Der Kobuz 2a flog im Frühjahr 1962. Auch mit diesem Flugzeug gab es noch schwerwiegende Probleme. Im April 1963 zerlegte sich der Kobuz 2a bei einem Flattertest, wobei der Pilot getötet wurde.
Die endgültige Version SZD-21-2b Kobuz 3 kam 1964 heraus und wurde danach in einer Serie von 40 Exemplaren gebaut.
Die langwierige und mühsame Entwicklung hatte sich gelohnt. Seine hervorragenden Eigenschaften und Leistungen machten den Kobuz 3 für die nächsten 25 Jahre zum unbestritten besten Segel-Kunstflugzeug.
Auch die heutigen Spitzen-Kunstflugzeuge Swift und Fox sind direkte Abkömmlinge des Kobuz 3.
Der Kobuz war komplett in Holzbauweise erstellt. Während der Rumpf herkömmlich mit Spanten und Stringern aufgebaut war, bestanden die Flächen aus einer Schalenkonstruktion ohne konventionellen Holm. Die Aussenhaut der Schale bestand nicht wie bei der Foka aus Sperrholz-Schaumstoff-Sandwich, sondern nur aus Sperrholzlagen, die in einer Negativform diagonal übereinander verleimt wurden. Die Kräfte nahmen kurze und sehr breite Holmstummel auf, die durch einen recht massiven Hauptbeschlag miteinander verbunden waren.
Schnittzeichnung des Kobuz 3-Flügels
Diese Schalenflügel waren ausserordentlich steif. Auch bei starkem Abfangen bogen sich die Flächen selbst kaum durch; vielmehr entstand eine auffallende V-Form. Das lässt darauf schliessen, dass sich das Mittelteil mit der Flügel-Rumpf-Verbindung verformte. Genau dieser Bereich erwies sich später als die Achillesferse des Kobuz.
Jähes Ende einer Weltmeisterschaft
aus Eric Müller, „Upside Down“ (1990)
…In der zweiten Bekannten Pflicht bei den Weltmeisterschaften 1989 in Hockenheim flog der Pole Krzysztof Wyskiel auf der Kobuz 3 ein fast perfektes Programm. Der Spitzenpilot war bei der vorletzten Figur, einem Turn, angekommen. Mit beängstigendem Ziehen leitete er die Figur aus. Plötzlich ein Knall die Flügel des Kobuz 3 klappten zusammen, wie ein Pfeil schoss der Rumpf senkrecht nach unten. Mit fürchterlicher Geschwindigkeit schlug das Cockpit wenige Meter neben dem Flugplatz in ein Maisfeld ein. Einige Sekunden später flatterten auch die Reste der Tragfläche im Umkreis von einigen hundert Metern zu Boden. Beim Sturz aus 300 Metern Höhe hatte der Pilot keine Chance mehr. Der 32jährige war sofort tot. Seinen Rettungsfallschirm trug er noch, als er aus dem völlig zerstörten Cockpit seines Kobuz 3 geborgen wurde. Bei einer so niedrigen Höhe hatte der Pilot keine Chance mehr, den Schirm zu ziehen.
Mitglieder der deutschen Weltmeisterschaftsdelegation berichteten, nachdem sie das Wrack näher besichtigt hatten: »Am Rumpf in Höhe der Flügelwurzel gab es in der Nähe der Bruchstelle durchfeuchtete Holzteile. Vermutlich hatte sich hier Kondenswasser über längere Zeit angesammelt. Es hatte das Holz durchweicht. Hier könnte die Ursache des fürchterlichen Absturzes gelegen haben.«
Die Weltmeisterschaft wurde nach diesem Unfall unterbrochen, und zwei Tage später beschloss man, sie endgültig zu beenden. Es wurde zwar noch ein Wettbewerb weitergeflogen, jedoch nur noch als internationaler Vergleich. Die drei restlichen Kobuz 3 wurden am Boden gelassen, die drei weiteren polnischen Piloten überwanden den Schock und flogen den internationalen Wettbewerb auf der deutschen Mü28 mit. Zumindest die Holzkonstruktion des Kobuz 3 dürfte nach diesem Unfall in Hockenheim international wohl nicht mehr auf Wettbewerben auftauchen. Schon im Vorfeld der Weltmeisterschaft hatte Jerzy Makula, der Weltmeister, berichtet: »Vor zwei Jahren ist meinem Freund und Vizeweltmeister Andrzej Tomkowicz eine Tragfläche abgerissen. Allerdings hat er das Flugzeug mit 11 g belastet. Der Kobuz hält aber nur plus 7 und minus 5 g aus.« So ganz einig waren sich die Polen also nie bei der Angabe der Belastungshöchstgrenzen des Kobuz 3. Der Unfall in Hockenheim war kein Einzelfall. Sollte also bei kommenden Meisterschaften wieder ein Kobuz polnische Piloten auf die ersten Plätze tragen, dann mit Sicherheit nicht ein Kobuz 3.
Anmerkungen eines Augenzeugen des Unfalls vom August 1989:
Ludwig Fuss und ich standen knapp 300 m von der Absturzstelle am Rand der Box. Wir hatten den Eindruck, Krzystof hätte die Senkrechte nach dem Turn etwas länger als nötig stehen gelassen. Der Abfangbogen erschien uns aber nicht besonders hart. (Die Analyse der Videoaufnahmen ergab eine Belastung von ca. 5,5g bei 220 km/h)
Ergänzend zu Eric Müllers Anmerkung kann ich sagen: Die Polen wussten wohl was die Belastungsgrenzen waren, aber sie nahmen es meistens nicht übermässig genau damit.
Ich selbst habe einige Flüge mit dem Kobuz gemacht und habe mir auch die Originalseite mit dem V/n-Diagramm aus dem Flughandbuch kopiert. (siehe unten)
Erstaunlicherweise hatte der Unfall von A. Tomkowicz 1987, der sich mit dem Fallschirm retten konnte und unverletzt blieb, anscheinend keine Konsequenzen. Mir ist zumindest nicht bekannt, dass die Polen danach die Lufttüchtigkeit der verbliebenen Flugzeuge überprüft hätten. Der fatale Glaube an die „Unzerstörbarkeit“ des Kobuz war wohl stärker.
Die Ursachen des Strukturversagens waren sowohl vorhergegangene Überlastungen als auch Bau- und Wartungsfehler. Den Piloten trifft bestimmt keine Schuld!
Die Unfalluntersuchung durch die deutschen Behörden brachte eine Reihe von Vorschädigungen zu Tage, die früher oder später zur Katastrophe führen mussten. Der Flügel brach wahrscheinlich, weil die Verbindung zwischen Holmstummel und Hauptbeschlag versagte. Es wird angenommen, dass sich durch frühere Überlastungen die Vernietung des Hauptbeschlags gelockert hatte. Weiterhin war beim Bau ein Phenolharz-Leim verwendet worden, dessen Härter zuviel Ameisensäure enthielt, die im Laufe der Zeit das Holz an den Leimstellen zerfressen hatte. Daher auch der eigenartige modrig-stechende Geruch, der uns beim Einsammeln der Trümmerteile auffiel. Ein „Wrack“ in dem Sinne gab es nicht; alles was vom Flugzeug übrig geblieben war, passte in einen grossen Karton.
Nach dem Unfall von Hockenheim entzogen die polnischen Behörden allen verbliebenen Kobuz 3 die Lufttüchtigkeit.
Inzwischen fliegen in Polen wieder zwei Kobuz, die von Oldtimer-Enthusiasten wiederhergestellt wurden. Diese Flugzeuge sind aber nicht mehr für den Kunstflug zugelassen und haben weitgehend eingeschränkte Betriebsgrenzen.
M. Echter
Das Typschild mit den Betriebsgrenzen:
Das V/n-Diagramm aus dem Flughandbuch des Kobuz 3:
Technische Daten
Spannweite | 14,00 m |
Flügelfläche | 13,50 m² |
Profil | NACA 641-412 |
Länge | 7,22 m |
max. Flugmasse | 445 kg |
Manövergeschwindigkeit VA | 188 km/h |
sichere Lastvielfache bei VA | +7,0/-5,0 |
Höchstgeschwindigkeit VNE | 340 km/h |
sichere Lastvielfache bei VNE | +5,0/-3,0 |
Mindestgeschwindigkeit VS | 76 km/h |
beste Gleitzahl | 27,8 bei 97,2 km/h |
geringstes Sinken | 0,99 m/s bei 86,5 km/h |
Quelle: Erinnerungen von Edward Margański in „Gliding International“ 1/2011
Stand, 11-2011