WLM 1

Foto: © Archiv Flieger- u. Flab-Museum

Die WLM 1 ist bis heute das einzige Schweizer Segelflugzeug, bei dessen Entwurf die Kunstflugeignung von Anfang an im Vordergrund stand.
Das 1942 gegründete Ingenieurbüro für Flugzeugberechnung und -konstruktion Weber-Landolf-Münch in Luzern entwickelte in den 1940ern für das Schweizer Militär die WLM 1 speziell für das Training von künftigen Militärpiloten.
Die Idee war naheliegend, da die neuen Jet-Flugzeuge, wie z.B. der Vampire, hinsichtlich der Position des Cockpits ganz vorn und der Landetechnik mit Bugradfahrwerk einem Segelflugzeug weitaus ähnlicher waren als den bis dahin geflogenen Propeller-Jagdflugzeugen mit Spornrad und dem Cockpit hinter einer langen Motorschnauze. Vielleicht spielte auch eine Rolle, dass die Deutschen während des Kriegs den Habicht und den Stummel-Habicht zum Training von Jagdfliegern eingesetzt hatten.
Heraus kam jedenfalls ein für die damalige Zeit sehr fortschrittliches, aber auch sehr aufwändig gebautes Segelflugzeug.

Der nur 13% dicke, zweiholmige Flügel ist bis zum Hinterholm mit Sperrholz beplankt. Die Bremsklappen System DFS aus Leichtmetall liegen hinter dem Hinterholm. Der Rumpf ist eine mit Fichtengurten versteifte Sperrholzschale. Die Leitwerksflossen sind beplankt, die Ruder stoffbespannt. Höhen- und Querruder sind 100% massenausgeglichen. Die Antriebe im Flügel haben Steuerstangen; im Rumpf werden nur Seile verwendet.

Um den Militärpiloten einen vertrauten „Arbeitsplatz“ zu bieten, bekam die WLM 1 ein geräumiges Cockpit mit einer grossen „Bubble“-Haube, üppig ausgestattet mit vielen Bedienhebeln. Auch die Steuerung war mit grossen Steuerwegen ähnlich wie bei einem Motorflugzeug ausgelegt. Wie es sich für ein Militärflugzeug gehört, hat die WLM 1 Wölbklappen und Spalt-Querruder, die mit den Wölbklappen bis zu 15° abgesenkt werden. Die Seitensteuerpedale sind im Flug verstellbar, ein damals noch seltener Komfort für den Piloten.
In der Flugerprobung ergab sich die beste Gleitzahl 25 bei einer Klappenstellung von 5°, das geringste Sinken bei 10°. Bei 40° liegt die Mindestgeschwindigkeit der WLM 1 bei kaum glaublichen 46 km/h.

Cockpit der ersten WLM 1 (HB-518)

Im Hinblick auf die vorgesehene militärische Verwendung, nahm man mit der WLM 1 eine Standschwingungsprüfung vor, die ergab, dass die Flügel in Bodennähe ab 362 km/h flattern würden. Man legte deshalb die zulässige Höchstgeschwindigkeit in ruhiger Luft auf 300 km/h fest. Für böiges Wetter (+/- 10m/s) wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h begrenzt.
Auch wenn man damals von „uneingeschränkter Kunstflugtauglichkeit“ sprach, darf man das nicht mit heutigen Masstäben messen. Die sicheren Lastvielfachen nach den damaligen Vorschriften würden heute gerade für die Utility-Zulassung ausreichen!

Erstflug war am 21. Juli 1947 im Birrfeld. Bis Januar 1948 unterzogen das Eidgenössische Luftamt und das WLM-Ingenieurbüro die WLM 1 mit Hilfe des Piloten Rolf Isler einer ausführlichen Flugerprobung, einschliesslich eines senkrechten Sturzes über 2500 m, um die wirksame Begrenzung der Fluggeschwindigkeit mit den Bremsklappen nachzuweisen; sie blieb bei 240 km/h. Weiterhin wurden eine Flattererprobung bis 340 km/h und Schlepps mit bis zu 290 km/h hinter einem Kampfflugzeug durchgeführt.

Schliesslich wurden von der WLM 1 nur drei Exemplare gebaut: Die Segelflugzeugwerkstätte A. Isler in Wildegg baute den ersten Prototypen. Für die Flugzeuge Nr. 2 und 3 fertigte Isler die Rümpfe, Pilatus in Stans die Tragflächen und die Lehrlingsabteilung der Eidg. Flugzeugwerke in Emmen stellte die Beschläge her.
Die ursprünglich geplante Beschaffung von 12 Flugzeugen für die Schweizer Fliegertruppe wurde nicht bewilligt.

Die erste WLM 1 (HB-518) ging bereits am 24. April 1949 durch einen Absturz in Lugano-Agno verloren. Der Pilot, Ruedi Saegesser, hatte wegen mangelhaftem Sonnenschutz einen Kollaps erlitten und verlor im Landeanflug die Kontrolle über das Flugzeug. Er überlebte schwer verletzt.
Kurioserweise gibt es noch eine zweite Version vom Verlust der HB-518: Demnach sei sie im April 1949 beim Kunstflug in der Nähe von Chur abgestürzt. Der Pilot, Hansli Würth aus Chur, sei mit dem Fallschirm ausgestiegen, nachdem das Flugzeug in einer Rolle wegen Überlastung abmontiert hatte.
Der Löschungsvermerk im Luftfahrzeug-Register des Eidg. Luftamts vom 31.12.49 enthält angeblich den Eintrag „Absturz; Pilot Würth“.

Jedenfalls absolvierten angehende Vampire-Piloten der Schweizer Fliegertruppe ab 1949 bis mindestens 1952 vor ihrem ersten Jet-Flug acht Landungen auf einer WLM 1 zur Umgewöhnung.
Als aber Anfang der 1950er „richtige“ Jet-Trainer auf den Markt kamen, verloren die Schweizer Militärs bald das Interesse an der WLM 1 und auf dem zivilen Markt konnte das Flugzeug wegen seiner aufwändigen Bauweise nicht zu einem konkurrenzfähigen Preis angeboten werden.

Die zweite WLM 1 (HB-551) verunglückte am 12. März 1969 in Neuchâtel:
Der Pilot flog das – noch bis 2015 gültige – Schweizer Kunstflug-Prüfungsprogramm. Dazu gehörten als letzte Figur drei Steilkreise in 30 Sekunden. In diesem Manöver verstellte der Pilot die Trimmung nach schwanzlastig, wodurch sich das Flugzeug unkontrolliert aufbäumte und in eine Vrille (Trudeln) geriet. Wegen der geringen Höhe und der verstellten Trimmung gelang es ihm nicht, das Trudeln zu beenden.
Der Pilot überlebte den Absturz wie durch ein Wunder. Er hatte viele Knochenbrüche, aber keine unmittelbar lebensbedrohlichen Verletzungen davongetragen.

Die letzte WLM 1 (HB-552) gehört jetzt dem Luftwaffenmuseum „Clin d’Ailes“ in Payerne und wird derzeit in Neuchâtel restauriert.

Technische Daten

Spannweite14,0 m
Flügelfläche14,0 m²
ProfilNACA 23013
Länge7,0 m
Rüstmasse200 kg
max. Flugmasse310 kg
sichere Lastvielfache bei 180 km/h+5,0 / -3,0 (j = 1,8)
Höchstgeschwindigkeit
(ruhiges Wetter)
300 km/h
Mindestgeschwindigkeit VS46 km/h
beste Gleitzahl25 bei 85 km/h
geringstes Sinken0,85 m/s bei 67 km/h

Quellen:
The World’s Sailplanes, Vol.1, 1958
„Schweizer Luftwaffe“, Offizielle Jahrespublikation 2006
WLM-Modellbau, Schwäbisch Gmünd, D (www.wlm-modellbau.de)
Aufsatz von Kurt Stapfer in „OCS-Times“, Schänis 2017

Stand, 12-2017